Bild des Monats
Das alte Horn
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Juli / August 2023
Siegerbeitrag zum Wettbewerb zur Gestaltung der Einfahrt
der Reichsautobahn an der Sievekingsallee
Viele Hamburger bringen unseren Stadtteil zuerst einmal mit dem Autobahnkreisel in Verbindung. Aber wohl niemand weiß, wie es hier einmal ausgesehen hätte, wenn nicht der 2. Weltkrieg die Umsetzung der Planung unterbrochen und letztlich ganz gestoppt hätte.
Dass Hitler nicht nur am Elbufer gigantische Bauten in Hamburg plante, sondern auch der Horner Kreisel wesentlich monomentaler gebaut werden sollte, war uns zwar schon einmal erzählt worden - Bilder oder Pläne hatten wir aber noch nicht finden können. Da bedurfte es im wahrsten Sinne den "Stein des Anstoßes": Mit dem letzten Bild des Monats zeigten wir, wie Ende Januar der Steinblock mit der Aufschrift "Bundesautobahn" abgebrochen wurde. Das weckte bei uns den Forscherinstikt zur Reichsautobahn, deren Teilstück Hamburg<>Lübeck am 13. Mai 1937 eingeweiht wurde. Und tatsächlich fanden sich im Staatsarchiv gleich mehrere Akten und Pläne, die den Bau und die geplanten Ausmaße des sogenannten "Verkehrsplatzes" dokumentieren. Als Bild des Monats zeigen wir heute den Siegerentwurf von Dipl. Ing. Dr. Roland Rainer.


Blick von Osten. Mit dem Schieber (graues Quadrat) können Sie die Straßennamen ein und ausblenden.


Blick von Süden. Alternativvorschlag mit weiterführender Trasse zur Eiffeestraße.
Mit dem Schieber (graues Quadrat) können Sie die Straßennamen ein und ausblenden.
Zur Vorgeschichte: Die Reichsautobahnen (RAB) waren ein Netz von Schnellstraßen im Eigentum des Deutschen Reiches. Mit der Planung und dem Aufbau wurde zur Zeit der Weimarer Republik begonnen; nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 wurde der Ausbau beschleunigt. Er wurde von ihnen als Maßnahme gegen die seit der Weltwirtschaftskrise 1930/31 herrschende Massenarbeitslosigkeit propagiert.
Am 23. September 1933 setzte Hitler bei Frankfurt am Main den ersten Spatenstich für die erste Strecke der Reichsautobahn über Darmstadt und Mannheim nach Heidelberg, die nach bereits 1932 baureif vorliegenden Plänen ausgeführt wurde. Im Oktober 1934 befanden sich bereits 1500 Kilometer im Bau, weitere 1200 Kilometer waren für den Bau freigegeben. Am 19. Mai 1935 konnte die Teilstrecke von Frankfurt am Main nach Darmstadt für den Verkehr freigegeben werden. Nach der ursprünglichen Planung sollte das Autobahnnetz pro Jahr um 1000 Kilometer wachsen, dies gelang jedoch nur in den Jahren 1936 bis 1938. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs waren 3300 Autobahnkilometer fertiggestellt (Quelle: Wikipedia)
Im Norden begann man am 21. März 1934 in Oyten mit dem Teilstück "Bremen-Hamburg/Wilhelmsburg" (heutige A1), welches am 25. Juli 1936 mit dem Abschnitt Bremen-Dibbersen eingeweiht wurde. Die Arbeiten an dem Teilstück von Hamburg-Horn nach Lübeck begannen ebenfalls 1934, die Einweihung war für den Himmelfahrtstag 6. Mai 1937 geplant, verschob sich dann aber um eine Woche auf den 13. Mai.
Bei Studium der Akten im Staatsarchiv erstaunte uns, dass die Planung des Autobahnkreisels in Horn und damit der Anschluss an das Hamburger Straßennetz quasi erst "in letzter Minute" erfolgte. Für die Platzgestaltung wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, dessen Abgabetermin erst am 5. November 1936 war! 150 Entwürfe wurden eingereicht und in der Kunsthalle ausgestellt. Das Preisgericht tagte am 14. Dezember; am 21. Dezember wurden die Gewinner schriftlich informiert. Der Siegerentwurf stammte von dem österreichischen Dipl. Ing. Dr. Roland Rainer. Auf den zweiten Platz kam der Hamburger Regierungsbaumeister Konstanty Gutschow und Platz 3 belegte der Architekt Prof. H. Mehrtens, der seinen Entwurf zusammen mit Dipl. Ing. Michael Fleischer ausgearbeitet hatte. Alle drei Siegerentwürfe wurden angekauft und für die endgültige Ausführung sollte daraus ein Mix entstehen, der auch die umliegende Wohnbebauung mit einschloss.

Aber zurück zu dem Siegerentwurf von Roland Rainer:
Die Visualiserung zeigt - von Hamm kommend - gleich hinter der Eisenbahnbrücke im südlichen Bereich des Kreises eine große Rastanlage. Sie bestand aus einem mehrgeschossigen Hotel, einer "Stockwerks-Garage", einer Tankstelle, Lastkraftwagengaragen mit LKW-Fahrer-Hotel und einer Reparaturwerkstatt.
Die dann folgende Ausfahrt in Richtung Süden zum Horner Weg wurde nicht umgesetzt. Interessant ist die geplante Möglichkeit, aus Horn kommend bereits vor dem Kreisel zur Autobahn abzweigen zu können. Aber auch diese Idee wurde nicht realisiert. Im Gegensatz dazu wurde die Tankstelle in der Auffahrt und darüber hinaus auch eine Tankstelle in der Abfahrt beim Bau der Autobahn verwirklicht. Beide Tankstellen waren noch nach dem Krieg in Betrieb. Die Nordseite wurde 1969, die Südseite um 1974 abgebrochen.
Die dann folgende Ausfahrt in Richtung Süden zum Horner Weg wurde nicht umgesetzt. Interessant ist die geplante Möglichkeit, aus Horn kommend bereits vor dem Kreisel zur Autobahn abzweigen zu können. Aber auch diese Idee wurde nicht realisiert. Im Gegensatz dazu wurde die Tankstelle in der Auffahrt und darüber hinaus auch eine Tankstelle in der Abfahrt beim Bau der Autobahn verwirklicht. Beide Tankstellen waren noch nach dem Krieg in Betrieb. Die Nordseite wurde 1969, die Südseite um 1974 abgebrochen.
Die Hammer Straße wäre nach dem Entwurf sowohl in den Kreisel als auch über einen Abzweig direkt in die Sivekingsallee eingemündet. Eine Weiterführung der Autobahn zur Eiffeestraße war alternativ in der zweiten Skizze mit einem Tunnel unter dem Kreisel eingezeichnet.



Entwurf der Baubehörde für die Reichsautobahneinfahrt unter Verwertung der Gedanken in den preisgekrönten Arbeiten des Wettbewerbs.
In der unteren Überblendung gut zu erkennen: Beide Kleingartenvereine am Kreisel würden heute nicht existieren!
Am 20. Januar 1937 fand beim Leiter der Baubehörde eine Besprechung mit einem Vertreter des Generalinspektors für das deutsche Straßenwesen und dem Wettbewerbssieger Roland Rainer statt. Dieses Gespräch führte zu gewissen Änderungen, die in einer neuen Planzeichnung umgesetzt wurden (siehe farbigen Plan oben). Hier wurde der Kreis plötzlich zu einem Oval, die Auf- und Abfahrten durch Parkplätze und Tankanlagen erweitert, die Weiterführung der RAB zur Eiffeestraße projektiert und die Rastanlage im Bereich des heutigen Kleingartenvereins 159 (Gartenfreunde am Horner Weg) konkretisiert. Da sich ein Teil der benötigten Flächen im Privatbesitz befanden (u.a. der Sievekingschen Erben), wird in der Besprechung darauf hingewiesen, dass mit Blick auf die für den 6. Mai 1937 (Himmelfahrt) feststehende Eröffnung der Autobahn, dringender Handlungsbedarf besteht! Zur Realisierung müssten diese Privatgrundstücke von der Stadt erworben werden!
Im Verlauf der Planungsrealisierung kommt es zu weiteren Änderungen, nicht zuletzt auch wegen der knappen Zeit bis zur Eröffnung der Autobahn. Das Oval wird u.a. wieder zum Kreis, die Rastanlage wird wegen der schwierigen Besitzverhältnisse vorerst nicht in Angriff genommen und auch die Tankstellen und Parkplätze in der Auf- und Abfahrt fallen erheblich kleiner aus. Letztlich schrumpft das monumentale Projekt auf einen einfachen Kreisverkehr mit einem Durchmesser von 150 Metern und fünf Abzweigungen. Dieser muss in knapp drei Monaten in 8.000 Arbeitslosentagewerken (entspricht ca. 100 Arbeitern pro Tag) aus dem Boden gestampft werden. Dabei ist zu bedenken, dass sowohl die Sievekingsallee als auch der Kreis damals nicht asphaltiert waren, sondern eine Decke aus Kleinpflaster hatten, wofür ca. 100 bis 110 Steine pro Quadratmeter benötigt wurden!
Dieser knappe Zeitplan führte dann vermutlich auch zur Verschiebung des Einweihungstermins um eine Woche. Nachdem die Politprominenz am Vormittag des 13. Mai 1937 die neue Elbbrücke bei Wilhemsburg eingeweiht hatten, traf man um 14:30 Uhr in Horn ein, wo neben den ca. 1.000(!) geladenen Gästen aus Partei, Staat, Wehrmacht und Verkehrswesen auch bereits etliche Bürger warteten. Nach Reden des Generalinspektors für das deutsche Straßenwesen - Fritz Todt - und dem Reichsstatthalter Karl Kaufmann setzte sich die Wagenkolonne gegen 15:30 Uhr in Richtung Lübeck in Bewegung; die Reichsautobahn Hamburg - Lübeck war damit dem Verkehr übergeben.
Der Kreisel blieb allerdings - eigentlich bis heute - eine ungeliebte Lösung. Schnell hatte man erkannt, dass die Sievekingsallee - trotz zwei Fahrspuren pro Richtung - dem ankommenden und abgehenden Verkehr nicht gewachsen war. So wurden bereits 1941 sieben Pläne vorgelegt, die dieses Problem mit neuer Trassenführung bis hin zur Aufhebung des Kreisels beheben sollten. Der Krieg ließ die Pläne in den Schubladen der Baubehörde verschwinden. Wie wir heute wissen, haben sie danach auch nie wieder das Licht der Welt erblickt und schlummern heute im Staatsarchiv. Lediglich 1983 tauchte ein Vorschlag auf, den Kreisverkehr aufzuheben, die Sievekingsallee gerade durchzuführen und die Autobahn und Hammer Straße ampelgeregelt einmünden zu lassen. Von der City kommend begann der einspurige Abbieger auf die Autobahn erst hinter der Bahnbrücke und hatte gerade mal eine Länge von gut 150 Meter. Nicht auszudenken, wie weit sich die Schlange in der Hauptverkehrszeit auf der Sievekingsallee zurückgestaut hätte. Das erkannten wohl auch die Planer und beließen ihn so, wie er ist: einer der größten innerstädtischen Verkehrskreisel in Deutschland!
Wir würden uns übrigens sehr freuen, wenn wir vielleicht mit dieser Ausgabe vom "Bild des Monats" jemanden finden, der den Steinklotz an der Einfahrt noch mit der Aufschrift "REICHSAUTOBAHN" fotografiert hat und uns das Foto leihweise zum Scannen überlassen würde. Hinterlassen Sie dann einfach eine Nachricht auf unserem Anrufbeantworter mit der Rufnummer 659 01 444.
© Geschichtswerkstatt Horn, Text: Gerd von Borstel
© Pläne: Staatsarchiv Hamburg Signatur 621-2/11_D56, 621-2/11_B 2/7
"Der Hamburger Reichsautobahnwettbewerb"
"Der Hamburger Reichsautobahnwettbewerb"
Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung!
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per Brief (Gerd von Borstel, Pagenfelder Str. 20, 22111 Hamburg)
oder Mail an: meine[ät]horner-geschichte.de.
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Das Archiv ist jeweils am 2. und 4. Mittwoch im Monat von 16:30 bis 19:30 Uhr geöffnet. Infos dazu finden Sie > hier
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Nächster geplanter Bildwechsel: September 2023